Publikationen // Personalschutz
24.09.2020

Pflegekräfte fühlen sich stärker belastet als Ärzte

Eine landesweite Umfrage unter 3.669 Klinikmitarbeitern zeigt, dass deutsche Pflegekräfte im Vergleich mit Ärzten und anderen Gesundheitsmitarbeitern stärker unter den Herausforderungen der Corona-Pandemie leiden. Höhere Stressniveaus und subjektive Belastung sowie eine geringere Arbeitszufriedenheit wurden am häufigsten beklagt.

Zwischen dem 15. April und 1. Mai 2020 erfasste eine landesweite anonyme Online-Umfrage der Universitätsklinik München (LMU) die subjektive Belastung durch COVID-19 bei deutschen Gesundheitsmitarbeitenden. In Zusammenarbeit mit 35 Universitätskliniken, weiteren 58 Krankenhäusern der sekundären und tertiären Versorgung sowie psychiatrischen Krankenhäusern konnte mit 3.669 Pflegekräften, Ärzten und anderen, am Point-of-Care Beschäftigten eine große Kohorte befragt werden.

Beantwortet wurden 25 inhaltliche Fragen zu folgenden Schwerpunkten:

  • Subjektive Belastung wie z. B. Stress, Schlafqualität
  • Anzahl der Überstunden
  • Wahrnehmung der Informationspolitik und Strukturmaßnahmen im Krankenhaus
  • Individueller COVID-19-Infektionsstatus
  • Anzahl der Infizierten im Freundes- und Bekanntenkreis

Mehr Ärzt*innen positiv getestet

Bei 2,8% der Befragten lag ein positiver COVID-19-Befund vor. Ärzte (3,6%) und Pflegepersonal (3,1%) wurden mit höherer Wahrscheinlichkeit positiv auf COVID-19 getestet als das übrige Krankenhauspersonal (0,6%).

Befragte, die in einem COVID-19-Umfeld arbeiteten, berichteten über eine stärkere subjektive Belastung und höhere Stresslevel im Vergleich zu anderen Teilnehmenden. Die Arbeit in einem COVID-19-Umfeld verdoppelte die Wahrscheinlichkeit, positiv auf COVID-19 getestet zu werden (4,8% vs. 2,3%). Auch nahm die Schwere der subjektiven Belastung zu.

Pflegekräfte stärker unter Druck

Pflegekräfte berichten zudem über eine zunehmende Arbeitsbelastung, eine geringere Arbeitszufriedenheit und fühlen sich von der Klinik weniger unterstützt als Ärzte und andere Gesundheitsmitarbeiter. Auch empfinden Pflegekräfte den Stress durch die Corona-Pandemie stärker als die anderen Berufsgruppen. Eine Erklärung sehen die Autoren im direkten und über einen längeren Zeitraum andauernden Kontakt mit Patienten (einschließlich COVID-19) und Angehörigen und der damit einhergehenden Konfrontation mit deren Ängsten. Weitere Faktoren, die den Stress verstärken können, wie z. B. der Mangel an Persönlicher Schutzausrüstung, Bedenken hinsichtlich der individuellen Zukunft oder das Gefühl, weniger Kontrolle über die Situation zu haben, erreichten nur eine geringe Signifikanz. Die Autoren sehen darin einen Hinweis auf die hohe Professionalität und persönliche Kompetenz des Pflegepersonals.

COVID-19-Klinikmanagement positiv bewertet

Im Unterschied zu Veröffentlichungen anderer Länder wie z. B. China und Italien blieben negative Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die subjektive Schlafqualität der Befragten aus. Die Autoren führen dies auf die im Vergleich zu anderen Ländern insgesamt niedrigeren psychischen Belastungen des deutschen Klinikpersonals zurück. Auch die Bewertung der klinikinternen Kommunikation, der Unterstützung des Personals und der Qualität der Patientenversorgung fiel im Gegensatz zu Berichten aus anderen Ländern positiv aus.

Frauen stärker betroffen

Obwohl in der Umfrage keine relevanten Unterschiede in den Reaktionsmustern zwischen Männern und Frauen festgestellt wurden, verweisen die Autoren der Studie auf eine kürzlich durchgeführte Meta-Analyse von 13 Studien (12 Studien in China und eine in Singapur) mit insgesamt 33.062 Teilnehmer*innen, die zeigte, dass weibliche Pflegekräfte während des Ausbruch von COVID-19 stärker unter psychischen Beschwerden wie Niedergeschlagenheit, Gleichgültigkeit und Antriebsschwäche litten.


Fazit: Pflegekräfte, insbesondere weibliche, fühlen sich in der aktuellen Corona-Pandemie stärker subjektiv belastet als andere Berufsgruppen. Die Autoren schlagen vor, mit speziellen, auf die Pflegekräfte zugeschnittenen Unterstützungsangeboten Stress vorzubeugen. Insgesamt zeigt die Studie jedoch eine im Vergleich mit anderen Ländern geringere psychische Beeinträchtigung des deutschen Klinikpersonals. Die Autoren führen dieses Ergebnis u. a. auf den bislang weniger dramatischen Verlauf der Corona-Pandemie zurück.

Quellen:

Kramer V et al. (2020) Subjective burden and perspectives of German healthcare workers during the COVID‑19 pandemic. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience 1 July 2020 / Accepted: 7 August 2020. Neuroscience. https://doi.org/10.1007/s00406-020-01183-2

Pappa S et al. (2020) Prevalence of depression, anxiety, and insomnia among healthcare workers during the COVID-19 pandemic: a systematic review and meta-analysis. Brain Behav Immun. https://doi.org/10.1016/j.bbi.2020.05.026

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