Publikationen // Studien
19.11.2020

COVID-19 und Antibiotika-Resistenzen

Der Kampf gegen Corona steht für viele Gesundheitseinrichtungen derzeit an erster Stelle. Aktuell nicht so akut, aber auf lange Sicht nicht minder wichtig ist die Eindämmung antimikrobieller Resistenzen (AMR). Welche Parallelen und wechselseitigen Beeinflussungen zwischen COVID-19 und AMR bestehen und welche Lehren daraus gezogen werden können, zeigt eine kanadische Studie.

Sowohl COVID-19 als auch AMR sind gesundheitliche Notlagen und bilden eine ernsthafte Herausforderung für die Gesundheitssysteme weltweit, urteilen die Autoren einer aktuellen Studie zum gegenseitigen Einfluss von COVID-19 und AMR. Doch während die meisten Länder enorme Anstrengungen unternehmen, um COVID-19 einzudämmen und zu behandeln, geraten andere Gesundheitsfragen in den Hintergrund. Dabei sind gerade Antibiotikaresistenzen eine Herausforderung, die immer im Blick zu behalten sei, betonen die Experten. [1]

Parallelen zwischen COVID-19 und AMR

Der weltweite Ausbruch von COVID-19 wurde am 11. März 2020 von der Weltgesundheitsorganisation offiziell zur Pandemie erklärt. Pandemische Züge machen die kanadischen Forscher auch bei AMR aus. Aber im Gegensatz zu COVID-19 handelt es sich hierbei um einen allmählichen Prozess, der viele Mikroorganismen betrifft. Zudem liegen zu AMR fundierte Kenntnisse vor, so Nieuwlaat und Kollegen weiter. [1]

Trotz dieser Unterschiede erfordern COVID-19 und AMR parallele Maßnahmen, darunter z. B. verhaltensbedingte Interventionen. So sind die zur Eindämmung von COVID-19 praktizierten Verhaltensänderungen, wie Händehygiene, Abstand halten, Quarantäne und Reisebeschränkungen auch wirksame Maßnahmen, um die mit AMR verbundenen Gesundheitsrisiken zu verringern. Wichtig für die Bekämpfung von COVID-19 wie auch von AMR ist die Entwicklung neuer Impfstoffe, Medikamente und Schnelltests. [1]

Doch während zur Eindämmung von COVID-19 international zusammengearbeitet wird und die Entwicklung neuer Behandlungen und Impfstoffe mit Hochdruck vorangetrieben werden, machen die Maßnahmen gegen AMR nur langsam Fortschritte. Dabei zeigt die schnelle Reaktion auf COVID-19, dass Initiativen zur Bekämpfung von AMR schneller durchgeführt werden könnten. Umgekehrt könnten aber auch aus der langfristigen Untersuchung der sich allmählich entwickelnden AMR wichtige Rückschlüsse für die Reaktion auf COVID-19 gezogen werden. [1]

Wechselseitige Beeinflussung

Neben den Parallelen sind zwischen COVID-19 und AMR auch Wechselwirkungen zu beobachten. Reicht eine unterstützende Behandlung nicht aus, werden bei schwer erkrankten COVID-19-Patienten zur Verbesserung ihres Zustands zusätzlich Antibiotika eingesetzt. Insbesondere das erhöhte Risiko von Sekundärinfektionen bei viral erkrankten Patienten kann einen weiteren Einsatz von Antibiotika erfordern. [1]

Laut Autoren kann der Kampf gegen COVID-19 aber auch zu einer verringerten Nutzung von Antibiotika führen – insbesondere bei einem längeren Andauern der Pandemie. Vor allem Verhaltensänderungen, wie z. B. das Abstandhalten, werden wahrscheinlich die Verbreitung anderer Infektionen und damit den Einsatz antimikrobieller Mittel verringern. [1]

Welche Parallelen und Wechselwirkungen zwischen COVID 19 und AMR bestehen, haben die Autoren in einer Tabelle zusammengefasst.

 Vergleich: COVID 19 und Antibiotikaresistenzen [1]

 

 

COVID 19

Stand: 03.06.2020

Antibiotikaresistenzen

Charakteristika

 

 

 

Anzahl weltweit Betroffener

6,28 Mio.

(jährlich unbekannt)

 

Stand: 17.11.2020*

55.11 Mio.

(jährlich unbekannt)a

 

64,5 Mio. jährlich

Kenntnis des Problems

 

In Entwicklung

Vorhanden

Verbreitung

 

Schnell

Allmählich

Mechanismus

 

Neuübertragung von nichtmenschlichem Wirt

Natürliche Selektion in Menschen, Tieren und Umwelt

Erforderliche Verhaltensänderungen

 

 

Händewaschen

 

Regelmäßig erforderlich

Regelmäßig erforderlich

Abstand halten

 

Zwingend erforderlich, evtl. wiederkehrend

Evtl. wiederkehrend

Reisebeschränkungen

 

Zwingend erforderlich, evtl. wiederkehrend

Evtl. wiederkehrend

Quarantäne

 

Bestätigte und vermutete Fälle

Bestätigte und vermutete Fälle

Auswirkungen

 

 

 

Sterblichkeit weltweit

 

379.000

(jährlich unbekannt)

 

Stand: 17.11.2020*

1.328.685

(jährlich unbekannt)a

 

812.000 jährlich

Wirtschaftliche Auswirkungen

Unbekannt

400 Mrd. Dollar

Sozial bedingte Ungleichheit von Gesundheitschancen

Erhöht

Erhöht

Management

 

 

 

Impfstoff

 

In Entwicklung

 

 

Nicht verfügbar für resistente Keime

Vermehrtes Testen

 

Echtzeit-Bild der Ausbreitung

Surveillance des Problems

Schnelle Diagnose

 

In Entwicklung

 

 

Einige nutzbare Tests (Procalcitonin, C-reaktives Protein)

Neue Medikamente

In Entwicklung

 

Wenige in Entwicklung

Stewardship

 

Frühzeitig

Kontinuierlich und international

*Ergänzung der Tabelle von Nieuwlaat R et al. um aktuelle Fallzahlen zu COVID-19 durch Recherche der Redaktion.

aCOVID-19 Map - Johns Hopkins Coronavirus Resource Center, https://coronavirus.jhu.edu/map.html (Letzter Zugriff am 17.11.2020).

Quelle:

1. Nieuwlaat R et al. Coronavirus Disease 2019 and Antimicrobial Resistance: Parallel and Interacting Health Emergencies, Clinical Infectious Diseases, ciaa773, https://doi.org/10.1093/cid/ciaa773 Published: 16 June 2020.

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