Praxisbeispiele // Personalschutz
22.04.2020

Bedürfnisse erkennen – handlungsfähig bleiben

Hygieneverantwortliche sind in der Corona-Pandemie mit außergewöhnlich belastenden Situationen konfrontiert. Gerburg Lutter, Mediatorin und Diplom-Sozialpädagogin aus Kiel, spricht darüber, wie Hygieneexperten in diesen unsicheren und kaum planbaren Zeiten ihre psychische Gesundheit erhalten und damit ihre wichtigen Aufgaben weiterhin gut erfüllen können.

Schwerkranke Patienten, zutiefst verunsicherte Kollegen, fehlende Schutzausrüstung und insgesamt erschwerte Bedingungen für einen sicheren Infektionsschutz – Hygienefachkräften wird derzeit viel abverlangt: Worauf sollten sie achten, um stabil und handlungsfähig zu bleiben?

In Krisensituationen wie der aktuellen Corona-Pandemie ist es essentiell, sich die Zeit zu nehmen und in sich hineinzuhorchen: Was fühle ich und welche Bedürfnisse habe ich?

Warum ist es gerade jetzt so wichtig, seine Gefühle und Bedürfnisse zu kennen?

Das ist aktuell besonders wichtig, weil zwischen unseren Gefühlen, unseren Bedürfnissen und unserer Handlungsfähigkeit ein Zusammenhang besteht. Handlungsfähig zu sein und entsprechend seiner Möglichkeiten zu handeln, ist – gerade auch in einer unsicheren Zeit wie der Corona-Pandemie – wesentlich für unsere seelische und körperliche Gesundheit. Werden grundlegende Bedürfnisse, wie z. B. das Bedürfnis nach Ruhe und Pausen, längerfristig nicht erfüllt, kann das zu einem Burnout führen und sich psychosomatisch manifestieren, wie z. B. Rückenblockaden.

Wie sieht denn der Zusammenhang zwischen Gefühlen, Bedürfnissen und Handlungsfähigkeit aus?

Aufgrund der belastenden Situationen während der Pandemie kommt es verstärkt zu unangenehmen Gefühlen, wie Trauer, Sorge oder Wut und Angst. Diese schwierigen Gefühle zeigen uns an, dass ein wichtiges Bedürfnis nicht erfüllt ist. Grundlegende Bedürfnisse können neben Essen, Trinken und ausreichend Schlaf, im Berufsleben auch das Bedürfnis nach Anerkennung, Urlaub und Handlungssicherheit sein. Zeigt uns ein Gefühl wie Angst also an, dass ein wichtiges Bedürfnis, wie z. B. nach Sicherheit, nicht erfüllt wurde, ist das für uns ein Signal, unser Verhalten so anzupassen, damit das Bedürfnis gestillt oder zumindest teilweise erfüllt wird.

Können Sie ein konkretes Beispiel aus dem Arbeitsalltag nennen?

Bin ich zum Beispiel als Hygieneverantwortlicher in einer Klinik unsicher, ob auch künftig noch ausreichend Schutzkleidung für die Mitarbeiter vorhanden sein wird, löst das in mir ein tiefes Gefühl der Besorgnis aus. Dieses Gefühl deutet wiederum darauf hin, dass mein grundlegendes Bedürfnis nach Sicherheit nicht erfüllt ist. Um mir mehr Sicherheit zu verschaffen, wäre eine Handlungsoption, mich darüber zu informieren, woher ich Schutzkleidung bekommen und wie ich mit der vorhandenen Ausrüstung ressourcensparend umgehen kann. Damit gelingt es mir, mich in dieser Situation nicht mehr ausgeliefert zu fühlen. Ich erkenne stattdessen, dass ich die Situation durch mein Verhalten beeinflussen kann.

Haben Sie einen Tipp, wie man seine Bedürfnisse besser erkennt und versteht?

Zunächst einmal ist es entscheidend, unangenehme Gefühle nicht zu ignorieren oder zu unterdrücken. Vielmehr sollten wir versuchen, das Gefühl zu identifizieren. Also, die Frage für sich zu klären: Handelt es sich z. B. um Wut, Trauer oder um Angst. Dabei können Listen, in denen Gefühle detailliert aufgeführt werden, helfen. Habe ich das Gefühl erkannt, überlege ich mir, welche Situation das Gefühl ausgelöst hat und welches wichtige Bedürfnis nicht erfüllt wurde. Das kann nach Feierabend, in der Pause, am Wochenende oder bei einem Spaziergang gemacht werden. Insgesamt ist das eine relativ leichte und wirksame Methode, die jeder – egal wann – anwenden kann. Als Basistool kann das gerade jetzt in Zeiten von Corona sehr helfen.

Frau Lutter, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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